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Wer zu viel fotografiert, sieht zu wenig von der Welt? Das Gegenteil ist der Fall, haben Psychologen herausgefunden. Wie Ihnen das Smartphone hilft, interessante Motive zu entdecken – und warum es oft schon reicht, eine Kamera griffbereit zu haben.

Bilder für den Kopf

Wer zu viel fotografiert, sieht zu wenig von der Welt? Das Gegenteil ist der Fall, haben Psychologen herausgefunden. Wie Ihnen das Smartphone hilft, interessante Motive zu entdecken – und warum es oft schon reicht, eine Kamera griffbereit zu haben.

Von Norbert Landa

Fotografieren macht aufmerksamer – hier auf die interessanten grafischen Muster im winterlichen Wald.

Das Zeichnen und Malen beginnt mit dem genauen Hinsehen. Dabei lernen wir, die Welt mit anderen Augen zu sehen: aufmerksamer, achtsamer und offener für interessante Eindrücke. Nebenbei, mühelos und unbewusst schulen wir die visuelle Wahrnehmung. Auch ohne gezielt danach zu suchen, entdecken wir lohnende Motive.

Das kann alles Mögliche sein: der besondere Schwung einer Blüte, die unwahrscheinliche Tönung eines Abendhimmels, die zufällige Art, wie sich alltägliche Dinge zu einer spannenden Komposition fügen – vielleicht als Idee für ein Stillleben. Oder auch das grafische Erscheinungsbild kahler Bäumen im Winter.

Skizzen ohne Stift und Papier

Mit einem Smartphone zur Hand lassen sich solche Impressionen flink und bequem festhalten, sozusagen als Skizzen ohne Stift, Papier und klamme Finger. Und das gleich in mehreren Versionen. Ob die eine oder andere Aufnahme auch als Motivvorlage dient, steht auf einem anderen Blatt.

Denn allein schon der Vorgang des Fotografierens verbessert auf erstaunliche Weise die Erinnerung an das Gesehene. Eigentlich sollte man meinen, dass der Blick auf den Sucher die Wahrnehmung eher behindert. Das Bild wird ohnehin gespeichert, man muss also gar nicht genau hinsehen. Beraubt man sich dadurch nicht schöner Augenblicke und Erlebnisse?

Fotografieren, als ob …

Um das herauszufinden, lud die Psychologin Kristin Diehl von der University of Southern California 2000 Versuchspersonen zu Stadtrundfahrten. Die eine Hälfte sollte sich nur aufmerksam umschauen. Die anderen Probanden bekamen Fotoapparate und sollten fotografieren, was sie wollten. „Wir hätten gedacht, dass das eher schadet“, sagt Kristin Diehl. „Aber es hat sich gezeigt, dass jene, die fotografiert haben, stärkere Eindrücke mitgenommen haben.“ Das Fotografieren lenkte sie keineswegs ab. Vielmehr behielten Sie das Gesehene besser und mit deutlich mehr Details im Gedächtnis.

Fotografieren macht aufmerksamer

Das bestätigte ein zweites Experiment. Für einen Museumsrundgang erhielten alle Teilnehmer eine spezielle Brille. Mit dieser konnte erfasst werden, wie lange sie den Blick auf welche Bilder richteten.

Wieder gab es zwei Gruppen: eine mit und eine andere ohne Kamera. Wiederum waren die Fotografen aufmerksamer bei der Sache. Ohne die Fotos im Nachhinein gesehen zu haben, konnten sie hinterher mehr Einzelheiten benennen; überdies gefielen ihnen die Exponate besser als den anderen Teilnehmern. Offenbar hatten sie in den Kunstwerken mehr entdeckt.

Gelegenheit macht Bilder: Fotos als Skizzen, Reminiszenzen – oder auch als Motivvorlagen.

Schon die Absicht zählt

Um mehr zu sehen, reicht offenbar schon die Vorstellung, ein Motiv aufzunehmen. Als Zeichner kennen wir das: Mit den Fingern einen Rahmen bilden und einen passenden Ausschnitt suchen.

Eine einleuchtende Erklärung dafür liefert der Psychologe Stefan Schmidt. „Konzentrieren wir uns sehr stark auf eine Beobachtung, treten wir automatisch in intensiveren Kontakt mit dem gegenwärtigen Erleben.“

Zurück also zur Wanderung (oder zum Spaziergang) zum Beispiel durch eine winterliche Landschaft. Vielleicht gibt es auf den ersten Blick nicht viel Spektakuläres zu sehen. Aber schon der Gedanke, ein Foto aufzunehmen, lässt uns deshalb mehr entdecken. Wir machen sozusagen Bilder für den Kopf – und dann vielleicht das eine oder andere Foto als Motivvorlage.

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