Was der Blickwinkel bewirkt, und wie Ihnen einfache Faustregeln zu interessanten Landschaftsbildern verhelfen.
Von Norbert Landa
„Wenn die Horizontlinie unten ist, ist das Bild interessant.
Wenn der Horizont oben ist, ist es interessant.
Wenn der Horizont in der Mitte ist, ist es scheißlangweilig.“
So drastisch brachte es der berühmte, 1973 verstorbene US-amerikanische Filmregisseur John Ford auf den Punkt. In seinen Western spielten Himmel und Landschaft eine kaum weniger wichtige Rolle als die Schauspieler. Vor allem im Monument Valley in Arizona, wo so viele Western gedreht wurden, wählte er Kameraeinstellungen, die den monumentalen Felsformationen breiten und hohen Raum gaben: überwältigend großes Kino.

unter hohem Himmel großartig zur Wirkung.
Bernhard Foerth: Bleistiftzeichnung auf braunem Kraftkarton
Und so gab er seinem damals blutjungem Kollegen Steven Spielberg den Rat, immer und vor allem auf die Komposition zu achten. Und dieser Hinweis gilt natürlich ebenso für die Bildregie beim Fotografieren, erst recht beim Zeichnen und Malen. Denn hier haben wir noch viel mehr Freiheiten als nur beim Festlegen der Horizontlinie. Wir können, wenn es der Bildwirkung dient, auch Berge versetzen, Wolken erfinden oder Flüsse und Wege so bauen, dass sie den Blick unterhaltsam durchs Bild führen.
Entscheidend ist aber vor allem die Aufteilung der Landschaft in Himmel und Erde. Und das beginnt beim Skizzieren der Horizontlinie.
Was ist die Horizontlinie?
Zunächst ist sie nicht das, was man tatsächlich als Horizont sieht. Sondern jene (gedachte) Linie, an der sich Himmel und Erde treffen würden, wenn man sich die Hindernisse – Berge, ferne Wälder, Häuser – als durchsichtig vorstellt. Nur beim unverstellten Blick über flaches Land oder auf das Meer fällt die gezeichnete Horizontlinie mit dem sichtbaren Horizont zusammen.
Die wichtigste Faustregel ist, die Bildfläche zu dritteln und die Horizontlinie entweder unter oder über das mittlere Drittel zu zeichnen.
Liegt diese Linie unten, sieht man die Landschaft aus Augenhöhe – so, wie sie dem Wanderer erscheint. Eine noch tiefere Linie würde zur Froschperspektive führen – man sieht alles von tief unten.
Liegt die Horizontlinie im oberen Bildbereich, erblicken wir die Landschaft aus einer höheren Warte. Sie breitet sich zu unseren Füßen aus und der Himmel hat kaum noch Raum im Bild. Der Extremfall ist die Vogelperspektive von weit oben: viel Land, wenig oder gar kein Himmel.

Alex Bernfels: Kreidefelsen auf der Ostseeinsel Rügen, Bleistiftzeichnung
Und dann gibt es natürlich eine sozusagen neutralen Mittelweg mit einer Horizontlinie etwa in der Bildmitte. Das kann tatsächlich langweilig wirken. Doch bisweilen bringt erst dieser halbhohe Blickwinkel ein zentrales Motiv zur Geltung. Das können Naturschauspiele, eine besondere Architektur oder selbst Industrieanlagen sein.

Gilbert Declercq: Industriehafen von Rotterdam, Kohlezeichnung
Und wo bitte ist ein Ausgang?
Wie schön, wenn uns der Anblick einer Landschaft gefangen nimmt. Aber wir suchen darin auch gerne nach einem Stück Freiheit, nach einer Stelle, an der sich die Szenerie öffnet und der Blick freigibt. Das zeigen Studien, bei denen die Augenbewegungen von Testpersonen beim Betrachten eines Bildes aufgezeichnet werden. So kann man den Blick auf dem Weg durch das Bild verfolgen, der zwischen den Schwerpunkten hin und her wandert und sich von den großen Linien leiten lässt. Zugleich aber sucht man unbewusst nach einem Ausgang.
In einem Landschaftsbild ist das der Bereich, die den Blick sozusagen wieder freigibt. Wenn es das Motiv zulässt, lohnt es sich also, den Ausschnitt so zu wählen, dass der Blick über den Horizont hinaus in die Ferne schweifen kann.

Hanne Türk: Lichter Wald, Bleistiftzeichnung