Freude am Zeichnen & Malen Ausgabe 60
Künstlerische Freiheit ist ein großes Wort nicht nur für große Kunst. Sie wirkt auch im Kleinen, wenn Sie sich Ihren eigenen Ideen hingeben und von engen Vorgaben freispielen. Nehmen Sie sich diese Freiheiten auch angesichts von Fotomotiven, die ja gerne zum genauen Vor- und Abzeichnen einladen.
Bei manchen Sujets ist das auch sinnvoll, etwa in architektonischen Zeichnungen wie beim venezianischen Portal in diesem Heft. Das Arrangement der vielgliedrigen Gebäudeteile aus schwierigen Perspektiven muss stimmen. Hier wirken falsche Linien nicht frei, sondern eben falsch.
Auch an ein Porträtfoto kann man sich beim Vorzeichnen der Gesichtszüge gut halten. Dann passen jedenfalls die Konturen und Proportionen. Das sorgt dafür, dass die Zeichnung in sich stimmig ist, und darauf kommt es in erster Linie an. Ähnlichkeiten sind zweitrangig, das können Fotokopien besser.
Übernehmen Sie vom Foto einfach das, was Sie brauchen. Doch das Bild, das Sie sich selbst davon machen, muss kein Abbild dessen sein, was im Foto oder auch in der Natur zu sehen ist. Lassen Sie sich vom Motiv inspirieren und von den Konturen leiten. Und wenn es der Bildwirkung dient, sollte Sie nichts daran hindern, das (im Foto auf S. 38) blasse Morgenrot im Pastell fulminant und feurig aufleuchten zu lassen.
Dafür gibt es Leitplanken: bewährte Methoden, um die besten Eigenschaften der jeweiligen Medien nutzen zu können. Mit Pastellkreiden werden Sie anders zeichnen als mit Ölpastellen, mit Aquarellfarben sinnvollerweise anders malen als mit Gouache. Beim Bildaufbau kommen Sie auf schulmäßige Weise verlässlicher ans Ziel. Und bestimmte Effekte lassen sich am besten auf den Wegen erzielen, die wir Ihnen in den Schrittprojekten vorschlagen.
In diesem Sinne ist Kreativität nicht uferlos, sondern braucht sozusagen einen soliden Boden, auf dem sie dann frei aufblühen kann. Dabei wünschen wir Ihnen gutes Gelingen und viel Freude beim Zeichnen und Malen!